Mit dem Fall ist es so ein Sache, den einerseits hat er mit Höhe (eine Variante der Länge) und Zeit zu tun, dann wäre er mit dem Sturz verwandt, andererseits ist er die Übersetzung von (eng.) Case oder (lat.) Casus, das hat Wittgenstein so pointiert behautet: „Die Welt ist alles, was der Fall ist“. Hier setzt er den Fall mit dem Fakt gleich, der aber ja nicht festgehalten werden kann, da auch das der Fall ist, was sich nach Gesetzmäßigkeiten verändert. Wir können die Welt also nicht aus der Beobachtung von einem bestimmten Zeitpunkt begreifen, sondern immer nur aus dem Vergleich der Beobachtung zu unterschiedlichen Zeitpunkten (eigentlich immer wieder neu unendlich immer so weiter). Popper meinte dazu ja, das wir nichts verifizieren können, sondern nur beobachten, dass es bisher (in unserem Einflussbereich und in Beobachtungszeitraum) falsifiziert wurde.
„Der Fall der Erde auf die Sonne ist eine andere Sorte von Fall als der Fall des Apfels auf Newton.
Man kann den ersten Fall einen notwendig werdenden Zufall, den zweiten einen unangenehmen Unfall nennen, wobei hinzuzufügen wäre, daß der Unfall zu einem genialen Einfall geführt hat. Und der Fall Mensch scheint wieder einer ganz anderen Sorte von Fällen zugezählt werden zu müssen. Laut jüdisch christlicher Tradition ist dabei von einem Sündenfall zu sprechen, und auch Platon meint, wir seien aus dem Reich der Ideen heruntergefallene Wesen.
Hier drängt sich der Einwand auf, es werde mit dem Wort Fall Unfug getrieben. Der Fall der Sonne und des Apfels seien buchstäbliche Fälle, aber bei Zufall, Einfall und Sündenfall gehe es um Metaphern.
Anders gesagt: die Mechanik sei zuständig für die Sonne und den Apfel, aber nicht für Einfälle und Sünden. Das klingt plausibel, ist aber nicht so einfach. Es gibt schachspielende künstliche Intelligenzen, die beim Spiel bessere Einfälle haben als der Autor dieses Artikels. Also sind Einfälle mechanisierbar.
Und man kann sich Roboter vorstellen, die dank technischem Fortschritt sündhaft werden können. Die zuerst wohl einfache Sünden wie Stehlen oder Lügen, später vielleicht sogar Sünden wider den Geist begehen können. Ob also das Wort Fall buchstäblich oder metaphorisch angewandt werde, es bleibt dennoch gültig, daß die Mechanik für alle Fälle kompetent ist und daß der Hebel die ganze Welt aus den Fugen heben kann, wenn wir nur einen Stützpunkt für ihn finden.
Dieser Aufsatz hat sich vorgenommen, verbissen im Mechanischen zu verharren. Also wird er den Fall Mensch nicht als einen Sündenfall, sondern etwas buchstäblicher als einen Fall aus Baumkronen auf eine ostafrikanische Steppe vor etwa zwei Millionen Jahren betrachten (Vilèm Flusser).“ zitiert nach H. Joachim Schlichting Uni Münster Didaktik für Physik ex.
Damit behauptet Flusser, dass der Sturz (z.B. auch der Höllensturz von Luzifer) den Fall hinlänglich definiert? Schlichting nennt Flussers Text „eine ganze Kaskade von „Fällen““ die Flusser „wortspielerisch in Beziehung“ setzt. Diese Sicht mag für einen Physiker angehen, ist aber für die Beurteilung eines Philosophen etwas dünn (und das, wo die Physik doch früher als Teil der Philosophie galt. Flussers Methode ist das Schmunzeln am Schluss, wenn sich alles gut gefügt hat, aber Wortspiel klingt zu sehr nach Spaß und zu wenig nach Ernst.
Allerdings erscheint mir das Zitat noch nicht alle wichtigen Bereiche des Fall abzudecken. Der Abfall vom Glauben der im Sündenfall anklingt erzeugt auch Wertloses, also Abfall. Danach ist den Paradiesbewohnern ihre Nacktheit aufgefallen ‚und sie schämten sich‘. Dabei hat die Schlange nur gesagt was der Fall war, allerdings die Konsequenzen verschwiegen. Wie oben angedeutet, reicht das ja nicht aus, weil auch der Fall ist, was sich folgerichtig aus dem Zustand und seiner Manipulation (die Handgreiflichkeit Evas) ergibt. Die Schlange wurde dafür auch schwer bestraft (sagt die Bibel, es kann aber auch anders gewesen sein, siehe ‚Die Wahrheit über Eva‘).